Fortsetzung Interview von Seite 65

Interview mit Ewald Tatar, geführt von Christoph Langecker

Ich hab‘ dann im U4 aufgelegt und bin dann „gecastet“ für das Kamakura im Südburgenland worden. Da war die damalige Chefin im U4, die wollte die Musik im Kamakura damals einfach grundlegend ändern und hat mich und den Graf Michi, der damals auch in Wiesen aufgelegt hat, einfach angeredet. Ja und dann hat die wunderschöne Kamakura-Zeit begonnen, die wirklich einiges zu bieten gehabt hat. Das war schon wirklich eine wilde Bude, das muss man schon sagen. Aber diese Zeit will ich wirklich nicht missen. Ich hab‘ dann in verschiedensten Diskotheken aufgelegt und schauen müssen, dass ich über die Runden komme, denn ich hab‘ dann einfach von dem Ganzen gelebt. Ich hab‘ zwar nebenbei zwei Jahre Betriebswirtschaft studiert, was allerdings für A & F war, denn ich hab‘ dann natürlich nichts weitergebracht, hab‘ ja die Nacht zum Tag gemacht. Hab‘ dann auch in kommerziellen Diskotheken aufgelegt. Ich kann mich erinnern, in Petronell Carnuntum gab es das „Blue Moon“, die haben wirklich mörderisch gezahlt. Ich hab’ dann auch bei diesen ersten Clubbings in Wien aufgelegt, wie im Moulin Rouge, das haben zwei Typen gemacht. Und die haben damals schon die Idee gehabt – was heute ja ganz normal ist – dass DJs einen Namen brauchen, aber nicht DJ Ewald, sondern DJs brauchen einen richtigen Namen, die waren wirklich Vorreiter damals. Und ich hab‘ damals eine Phase gehabt, eine schreckliche Phase. Ich war zahndürr mit langen, dünnen Haxen und hab‘ dann immer eine rosarote Jacke angezogen. Das war so ein Malermantel, den hab‘ ich abgeschnitten und dann selber rosarot gefärbt – keine Ahnung, was mich da geritten hat. Und einmal bin ich gekommen und hab dann zum Auflegen angefangen und dann sind die zwei hinter mir gestanden und haben gesagt: „Wir müssen dir jetzt einen Namen geben! Lange Füße, rosarote Jacke – DJ Flamingo!“ Und ab dem Zeitpunkt war ich dann der DJ Flamingo, der Namen ist mir auch irgendwie hängen geblieben, er taucht immer wieder auf. Das war im Prinzip das Auflegen.

Und dann war es so, dass ich irgendwann auf Druck meiner Eltern – die mir nahegelegt haben, dass ich irgendwann auch mal einem Job nachgehen muss – zum ORF Landesstudio Burgenland gekommen bin. Ich hab‘ da dann drei Jahre lang als Redakteur im Musikbereich gearbeitet und hab‘ Musikprogramme für die Sendungen gebucht. Ich bin dann auch viel im Burgenland rumgekommen, damals gab es auch diese Sendung Sommerradio, bei dem Radio Burgenland durch das Land gefahren ist, wo ich oft dabei war. Das war echt toll, in welchen Ortschaften wir da waren und was wir für Typen kennengelernt haben. Und da hab‘ ich das Burgenland von einer ganz anderen Seite kennengelernt mit Orten, von denen ich vorher noch nicht mal gewusst habe, dass es die überhaupt gibt. Und ich kann mich erinnern, da gab es ein Ort, zu dem eine Straße hingeführt hat, aber keine mehr weiter, da konnte man dann nur zurückfahren. Das war für mich als Forchtensteiner, der bei Mattersburg gewohnt hat, schon was Faszinierendes. Das war also dann das zwischenzeitliche, berufliche Intermezzo beim ORF.
Parallel hab‘ ich natürlich immer wieder im Jazzpub aufgelegt und bei den Festivals in Wiesen mitgearbeitet, war Fahrer, hab‘ plakatiert, auf der Bühne mitgearbeitet usw. Und irgendwann bin ich dann einfach so reingewachsen in den Büroalltag von Wiesen. 1990 ist dann der „Thom Fritz“ mit dem Jazzfest Wiesen weggegangen und dann war natürlich schon der Bedarf da, das Festivalgelände zu bespielen. Mit einem Zweiten hab‘ ich dann ein Büro in Wiesen gehabt, wo wir das dann angegangen sind, und ich bin dann ab 91‘/92‘ fix in Wiesen gewesen. Hab‘ dann 92‘/93‘ schon angefangen meine Ideen einzubringen mit einem Independent Festival, wo drei Bands gespielt haben. Das war sozusagen der Beginn des Forest Glade, das dann nachher gekommen ist. 94‘ ist mein Kollege dann zu den Jeunesse Konzerten gegangen, da hab‘ ich dann die Booking-Verantwortung für Wiesen gehabt. Und dann hat eines das andere ergeben und es kam Forest Glade, Two Days a Week, Spring Vibration, verschiedenste Formate, Konzerte wie Green Day, Björk und, und, und … es ist so dahin gegangen. Wiesen ist größer und größer geworden und hat sich wirklich in Österreich als DAS Festival schlechthin etabliert. Man muss auch dazu sagen, dass Forrest Glade für mich in Österreich absolut die Mutter der Rockfestivals ist, also eines Nova Rocks, Frequencys oder wie man es sehen möchte. 2004 war es dann so weit, dass dann Bands, mit denen ich gearbeitet habe, zu mir gekommen sind und gemeint haben „Du wir würden zwar gerne mit dir weiterarbeiten, aber Wiesen ist einfach zu klein für uns, d. h. wir haben einen Interessenten aus Deutschland, der in Österreich ein großes Festival machen will. Wenn du das nicht machen willst, dann werden wir es ihn machen lassen, wenn du es machen willst, dann bekommst du von uns die Bands, wenn du willst, denn du bist Österreicher und es soll im Land dann ein Österreicher die Acts machen.“ Das war dann das Aerodrome in Wiener Neustadt, nach wie vor das größte Festival, das es bisher in Österreich gegeben hat, mit 75.000 Besuchern pro Tag. Man muss wirklich sagen ein Jahrhundert-Line-up. Das hat kein Festival mehr in dieser Art und Weise und in dieser Dichte zusammengebracht, auch ein Nova Rock nicht. Und das war dann eigentlich der große Konfliktherd mit Wiesen und Franz Bogner, der eben nicht in dieses Größer-Größer-Größer hineinwollte, ich war natürlich noch jung und ambitioniert und hab‘ da drin Perspektive gesehen. Und das war dann eben der Trennungsgrund.

Ich hab‘ mich dann mit ein paar Kollegen von mir mit Nova Music selbstständig gemacht und im Jahr drauf das erste Nova Rock in Nickelsdorf gemacht – was ein Sprung ins kalte Wasser war, im wahrsten Sinne des Wortes, weil es zwei Tage durchgeregnet hat. Das Wort Schafskälte hab‘ ich bis zu dem Zeitpunkt noch nie in meinem Leben gehört – damals hab‘ ich dann gemerkt, was das heißt! Das Festival war auch finanziell ein Sprung ins kalte Wasser, weil wir natürlich null Geld für Vorfinanzierungen gehabt haben. Das heißt, wir haben eigentlich alles aus dem Kartenverkauf heraus finanziert, was natürlich absolut in die Hose hätte gehen können, wenn wir das Festival nicht verkauft hätten. Haben wir dann aber doch. Es war dann aber so, dass es am zweiten Tag quasi fast am Punkt des Abbruchs war, weil es so katastrophale Bedingungen waren. Wir haben dann keinen mehr hingelassen, weil das Gelände komplett im „Gatsch“ versunken ist. Über Nacht haben wir dann zig Tonnen Stroh usw. von den Bauern drumherum hergekarrt und in der Früh‘ überall am ganzen Gelände Stroh aufgestreut und das Gelände dann wirklich so hinbekommen, dass wir wieder Leute hinlassen konnten. Am dritten Tag hat es dann Gott sei Dank aufgehört zu regnen, sodass wir das Festival fertig spielen konnten. Am letzten Tag, das weiß ich noch, da hat Green Day gespielt bei strahlendem Sonnenschein, es war heiß und du hast dich eigentlich überhaupt nicht mehr erinnern können, wie das in den ersten zwei Tagen war. Das war sozusagen der Startschuss für das Nova Rock im Burgenland. Für mich war immer wichtig, mit dem Festival im Burgenland zu bleiben. Es hat dann zwar einen Geländewechsel gegeben, aber innerhalb der Gemeinde Nickelsdorf. Und zur gleichen Zeit haben sich Harri Jenner, der das Frequency gemacht hat, Music Net und ich zusammengetan. Wir waren ja eher Festival-Veranstalter, aber es war dann auch so, dass einige eher ältere Veranstalter dann im Land nicht gut gearbeitet haben. Wir sind sukzessive immer mehr in diesen Konzertbereich hineingekommen, also nicht nur Festivals im Sommer zu spielen, sondern auch während des Jahres Konzerte zu machen. Und ich muss sagen, das haben wir dann qualitativ offenbar so gut gemacht, dass wir innerhalb von zwei bis drei Jahren richtig gut dabei waren. Dann ab 2010 sind wir die Nummer 1 in Österreich geworden, auch bis jetzt noch. Es ist seitdem viel passiert, wir bespielen die Burg Glam, zwischendurch haben wir auch nochmal Wiesen ein paar Jahre bespielt, dann hat es 2015 wieder ein Problem gegeben, als ein anderer Veranstalter ins Gelände hineinwollte, wo dann Wiesen nachgegeben hat. So sind wir dann z. B. in den Schlosspark nach Eisenstadt gekommen mit dem Lovely Days Festivals, was eigentlich eine traumhafte Location für dieses Festival ist; wir bespielen den Steinbruch in St. Margarethen, wir sind beim Picture on Festival beim Booking beteiligt usw. Der Bogen spannt sich im Burgenland schon eigentlich über alles drüber, was man im Prinzip hat machen können oder machen kann, wo wir in irgendeiner Art dabei sind oder dabei waren. Und das Resultat davon ist, dass wir jetzt hier sitzen und ich diese Geschichte erzählt habe.   

CL: Eine sehr beeindruckende Geschichte! Sodass wir den Bogen da noch ein wenig weiter spannen in die Zukunft und zu der Generation, die deine Geschichte konsumieren wird. Für sie war das letzte Jahr ein einschneidendes Jahr mit der ganzen Corona-Geschichte usw. und natürlich auch für euch in dieser Branche, weil es einfach bedeutet, dass du nichts machen kannst. Wie ist es euch da gegangen, wie bereitet ihr euch da auf das was kommt vor, sofern man das kann, und wie siehst du das, in wieweit wird dieser Einschnitt den Bereich verändern?

Es ist ja etwas, was keiner von uns am Schirm gehabt hat in dieser Dimension, natürlich auch ich nicht. Es hat natürlich auch in den vergangenen Jahren auch davor immer wieder ein Auf und Ab gegeben, wo du Hoffnung geschöpft hast, die dann aber relativ schnell wieder zerschlagen worden ist – also es war schon ein Wellental das Ganze. Natürlich, wenn du ein Geschäft hast, wo du im Livebereich bist, d. h., wo du immer wieder unterwegs bist, von dieser Stimmung lebst, das inhalierst, denn deshalb machst du es ja auch, und das dann alles komplett wegbricht und dich auf ein Zahlenwesen reduziert – wenn ich mich auf Zahlen hätte konzentrieren wollen, dann hätte ich Betriebswirtschaft fertig studiert – dann ist das natürlich schon zermürbend, das muss man schon sagen. Jetzt ist es schon so, dass ich das berühmte Licht am Ende des Tunnels absolut sehe. Leider Gottes ist halt diese ganze Impfstoffthematik von der EU und von unserer Regierung richtig in den Sand gesetzt worden, da hätte man wesentlich schneller sein können, wie es andere Länder vorzeigen. Nichtsdestotrotz sind wir jetzt auf einem Weg, wo wir, so glaube ich, relativ sicher sein können, dass man im Herbst wieder alles hochfahren kann. Wobei im Herbst nicht mehr viel „zum Hochfahren“ übrigbleiben wird, weil sich natürlich alles schon auf 2022 verschoben hat. Aber insofern kann man jetzt, und das tun wir auch, absolut auf 2022 fokussieren. Ich glaube, und das sagt mir auch mein Bauchgefühl, dass es mittlerweile schon so lange geht, dass es schon fast ein anderes Leben war und dass extrem viel Leute endlich wieder ganz ungehemmt „die Sau rauslassen“ wollen – inklusive mir. Ich werde auch immer wieder gefragt, auf welches Konzert ich mich am meisten freue. Das ist einfach das erste Konzert. Da werde ich mich „ansaufen“, ist mir vollkommen wurscht, aber auf das freue ich mich einfach und dass dann sozusagen wieder das normale Leben beginnt. Ob wir es 2022 noch in irgendwelchen Einschränkungen haben werden, wird man sehen. Das Ganze wird uns natürlich in irgendeiner Art und Weise begleiten. Es wird seine Zeit brauchen, um es aus den Köpfen rauszubekommen, das ist ganz klar. Wir haben unsere Gestik verändert, unser Entgegentreten anderen Personen gegenüber. Wir haben fast schon intime Nähe in Anführungszeichen unterlassen. Und das ist schon etwas, was Zeit braucht, um dieses Gefühl der Sicherheit wieder zurückzubekommen. Das wird man natürlich auch bei Konzerten vor Ort am Anfang merken, bis sich das Ganze wieder normal einspielt. Aber ich glaube trotzdem, dass die Kultur und der Musikmarkt etwas sind, was ein Lebensgefühl gibt, und zwar ein positives Lebensgefühl. Denn ich gehe ja auf Konzerte, weil ich stimuliert werden möchte und zwar nicht negativ, sondern positiv. Ich will Spaß dran haben, ich will a Freud‘ haben, es soll mir gefallen. Und ich glaub‘, dass die Sehnsucht danach extrem groß ist und dass es weniger schlimm wird, als viele befürchten. Ich glaub‘ sogar, dass es besser wird.

CL: Diese Jugendkultur wurde ja völlig unterbrochen für ein Jahr, so wie du jetzt gesagt hast, dieses unbeschwerte Aufwachsen. Du warst ja da immer sehr nahe dran an dieser Jugend und Jugendkultur. Wie hat sich das verändert?

Also ich muss ja dazu sagen, ich bin auch insofern als Vater relativ nahe dran. Ich habe einen 17-jährigen Sohn und eine 21-jährige Tochter. Das heißt, die sind genau in einer Generation drin, die schwer in ihrer Zeit geschädigt worden ist, wo sie viel erleben hätte sollen in diesem Jahr oder sogar eineinhalb Jahren, und eigentlich nichts erleben haben können, und die mir fürchterlich leidgetan haben. Auf der anderen Seite muss man wirklich sagen, wir können alle auf diese Generation stolz sein. Denn so brav, wie sie sich an Dinge gehalten haben – ich sag‘s ganz ehrlich und auf ganz Burgenländisch – wäre das mir passiert in diesem Alter, mich hätten sie „scheißen tragen können“. Ich war viel zu viel Revoluzzer, viel zu viel „Ich fahr‘ gegen den Strom“, dass ich das getan hätte, was meine Kinder getan haben, an was sie sich gehalten haben und auch ihre Freunde und Freundinnen. Die machen jetzt noch Online-Partys, die setzen sich hin vor den Bildschirm, jeder mit seiner Flasche Schnaps, und dann sechs Stunden lang saufen. Hallo? Auf der anderen Seite gehst du zum Arzt, wo eine Schlange mit Leuten steht, fünf Junge und fünf Alte. Die Alten, die wir seit einem Jahr beschützen wollen, stehen Gesicht an Gesicht, Nasen an Nasen, spucken sich gegenseitig an beim Reden und die fünf Jungen stehen da mit ihrer Maske und halten Abstand. Und da denke ich mir schon, da rennt was schief. Die ältere Generation hätte da schon diesen Respekt in einer gewissen Weise besser zeigen sollen. Tut ein Teil eh‘, aber der absolute Respekt, was eigentlich die Jugend dazu beigetragen hat, der ist für mich auch von Regierungsseite usw. viel zu wenig honoriert worden und auch viel zu wenig angehört worden. Und, das sag‘ ich ganz ehrlich: Es braucht sich keiner zu wundern, wenn sie jetzt einfach ausbrechen. Und ich muss ehrlich sagen, ich versteh’s auch. Und so blöd es auch klingt, ich sag‘ meinen Kindern nicht, ihr dürft jetzt nicht ausbrechen. Das geht nicht mehr, wie gesagt, wir haben jetzt die Impfung. Auf der anderen Seite hätte man dann halt lernen müssen mit dem Virus zu leben. Aber du kannst dich ja nicht das ganze Leben lang einsperren. Das funktioniert nicht. Und wenn mein Bub dann im Lockdown zu mir kommt und sag: „Wir würden gerne am Funcourt Fussballspielen gehen, aber das dürfen wir ja nicht!“, dann sag‘ ich: „Geht’s!“. Deine Großeltern sind geimpft und Gott sei Dank geht es laut den Ankündigungen eh‘ schneller als befürchtet, auch mit den Impfungen, hoffe ich zumindest. Wie gesagt, das ist eine Generation, auf die man stolz sein kann, die viel Verantwortung beweist und sehr viel bewusst mitgemacht hat. Wenn ich irgendwann mal einen Alten höre, der über die Jugend von heute schimpft, dann erzähle ich ihm etwas über die Jugend von früher.

CL: Interessanter Punkt. Auf der einen Seite gibt es ja das Dorfleben, wo Traditionen in Vereinen gelebt werden, wo man integriert ist und dann gibt es die Revoluzzer als Minderheit, die dann aus der breiten Masse herausstechen. Eine lustige Mischung, die aber dennoch funktioniert, auch bei der Musikkultur. Du hast Jahrzehnte lang die Jugendkultur im Burgenland mitgestaltet. Wie ist es von deiner Beobachtung her, wie hast du das im Lauf der Jahre wahrgenommen?

Die Grenzen sind fließender geworden. Das zeigt allein schon ein „Nova Rock“, wo du die „Metaller“ hast, Rockfans, HipHop-Fans, die sich gegenseitig musikalisch „die Hackeln ins Kreuz hauen“. Auf der anderen Seite stehen aber dann 25.000/30.000 Leute am Sonntag in der Früh beim Frühschoppen und singen gemeinsam mit bei „Treibt die Gänse raus“. Da siehst du dann, wie sich diese Kultur vermischt, dass sehr wohl dieses heimatliche, traditionelle Leben in vielen verhaftet ist und die das auch leben, und auf der anderen Seite trotzdem diese andere Kultur leben können, nämlich die Festivalkultur, die komplett was anderes ist. Und da sieht man, wie sich das vereinen kann. Das war auch für mich immer wichtig, dem einen Nährboden zu geben, damit machst du ein Festival breit und damit holst dir eine Zielgruppe her, die du vielleicht normalerweise gar nicht kriegen würdest. Die dann aber heimgeht und dem nächsten Freund erzählt „Hearst da kannst echt mal hingehen!“ Auch wenn dir von den 30 Bands 29 nicht taugen, aber es ist einfach lustig. Warum geh‘ ich auf ein Volksfest? Weil es lustig ist und nicht, weil mir die Tanzmusik dort so gut gefällt oder weil die Langos so gut schmecken, sondern weil’s a Gaudi ist. Natürlich hast du bei so einem Festival viel „Happening-Faktor“, keine Frage. Trotzdem ist es immer noch so, dass der Hauptimpuls natürlich die Musik und die Acts sind. Was sich stark verändert hat, ist das ganze Drumherum, das Entertainment nebenbei. Die Leute wollen schon viel, viel intensiver nebenbei unterhalten werden, als das früher bei einem Jazz Fest Wiesen der Fall war, wo ich hingegangen bin ‘82/‘83. Wo du mit deinem Doppler und deiner Rolle Klopapier „umi gfahren“ bist, das war‘s in Wirklichkeit. Da hat es keine Dusche gegeben und gar nix. Da hat‘s gerade mal irgendwelche Klos gegeben, Grillhendl und Bratwürstel und das war‘s. Heute muss ein Festival VIP-Klos haben und Sushi und argentinisches Rindfleisch usw., was ja gut ist, das ist ja nix Schlechtes, es hat sich eben nur verändert. Das hat eben das Fordernde des Publikums mit sich gebracht. Dem du jedes Jahr nachgehen musst. Man muss sich jedes Jahr was ausdenken, dass die Leute kommen, was Neues.

CL: Abschließend noch zu der Bandkultur, die sich dann weg von diesem Traditionellen entwickelt hat, Garish usw. Wie siehst du diese Szene, vielleicht rückblickend und Status jetzt?

Ich hab‘ immer versucht, und das ist auch jetzt noch so, dass ich burgenländische Bands in die Festivals einbaue. Und ich hab‘ das darum natürlich alles mitverfolgt und dem auch Rechnung getragen. Mittlerweile bin ich jetzt nicht mehr so ganz in dieser Szene drin, komme jetzt aber durch meinen Sohn z. B. wieder mehr in das Ganze rein. Da hat mir jetzt z. B. die „Monokai“ hier aus dem Bezirk vorgespielt und ich muss sagen, die Buben können wirklich was. Und jetzt spielen‘s eben am Nova Rock, dürfen dort auf der Red Bull Bühne spielen. Also es ist schon so, dass ich das Ganze beobachte und einzubauen versuche, wo es halt möglich ist. Muss aber schon aufpassen, d. h. ich kann jetzt nicht nur burgenländische, junge Bands spielen, wir sind eben ein Festival für Österreicher und angrenzende Länder usw. Aber natürlich habe ich die burgenländische Bandkultur intensiv mitbeobachtet und hab‘ mich gefreut, dass z. B. Garish „aufgegangen“ sind. Das ist was, wo ich glaube, dass da das Burgenland immer noch extrem gut unterwegs ist und es bringt auch immer wieder Dinge hervor, wo man sich denkt, O. K., eigentlich überraschend, dass das so international und so gut klingt.

CL: Das Buch ist ja an junge Leute gerichtet. Dein Weg und deine Karriere sind nicht unbedingt so gewöhnlich. Was würdest du einem jungen Menschen mitgeben, mit der Erfahrung, die du gemacht hast? Denn da hat sich ja auch einiges verändert, wie man heute Berufe ausübt, auch hinsichtlich der Ausbildung. Es ist doch zum Teil schon viel schwieriger geworden, als es noch zu unserer Zeit war.

Also bei mir war es natürlich schon noch so, in meiner Zeit, dass du aus dem Vollen schöpfen konntest, in allen Bereichen, egal ob es jetzt bei den Festivals oder Konzerten war. Der Markt ist ja schon einerseits ein wenig gesättigt und andererseits voll von allen möglichen Formaten und Möglichkeiten, die es eben gibt. Und es ist bei Weitem nicht mehr so einfach, wie es bei mir war, dass man einfach sagt, O. K., ich mach mich jetzt selbstständig und will jetzt mit dem Beruf Geld verdienen. Bei mir gab es aber auf der anderen Seite auch nicht diese FHs und Schulen mit Kulturmanagement usw., die ich grundsätzlich gut finde. Ich musste mir das alles anlernen, das ist alles autodidaktisch gegangen, was natürlich echt nicht einfach ist. Also ich merke das auch bei mir, ich habe z. B. eine Mitarbeiterin, die so eine FH gemacht hat, da ist schon wirklich eine Basis da, mit der man auch arbeiten kann, das ist wirklich gut. Trotz allem ist es so, dass diese Jobs überschaubar sind und auch bleiben. Und das, was ich jemandem mitgeben kann, der trotzdem das Risiko gehen möchte und Veranstalter werden will, kann ich nur sagen, es soll jeder das machen, was er machen möchte. Ich werde auch meinen Kindern nie sagen, das darfst du nicht machen oder das sollst du machen, sondern das sollen sie frei entscheiden, das soll jeder für sich entscheiden. Das Einzige, was ich mitgeben kann, ist vorsichtig zu sein mit dem Risiko, das man bei so einem Geschäft eingeht. Denn das Risiko ist relativ hoch, dass man Geld verlieren kann und dann möglicherweise auf einem Haufen Schulden sitzen bleibt, den man ein Leben lang abstottern muss mit einem Job, den man gar nicht machen möchte. Also vorsichtig reingehen, alles vorsichtig angehen. Und das, was ich für mich gelernt habe, und was ich ganz schnell wieder abgelegt habe, ist, davon auszugehen, dass das, was mir gefällt, ganz sicher auch den anderen gefallen wird. Das geht nämlich meistens schief. Das ist allerdings ein gewisses Bauchgefühl, das man mitbringen muss, das kann man nicht lernen. Man kann zwar gewisse Erfahrungswerte mit Zahlen usw. sammeln, aber dieser Spontanimpuls zu sagen: „Das ist eine coole Mugge, das wird aufgehen“, das kommt eben nur aus dem Bauch heraus. Dieses Bauchgefühl habe ich Gott sei Dank in den meisten Fällen richtig gehabt, bin aber auch in vielen Fällen katastrophal danebengelegen.

Abschließend ist zu sagen: Das was man gerne macht, macht man eben auch gut.