Kobersdorf, 26.4.2022. – 2019 erwarb das Land Burgenland die ehemalige Synagoge Kobersdorf und begann nach einer fast einjährigen Planungsphase im Herbst 2020 mit der Generalsanierung. Heute, Dienstag, 26. April, wird in Beisein von Landeshauptmann Doskozil, Vertretern der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) mit Präsident Oskar Deutsch an der Spitze, Diözesanbischof Ägidus Zsifkovics, dem Israelischen Botschafter in Österreich Mordechai Rodgold und zahlreichen Vertretern aus Kultur, Politik und Gesellschaft die ehemaligen Synagoge eröffnet. „Es ist dem Land Burgenland ein großes Anliegen, das jüdische Erbe unseres Bundeslandes zu bewahren. Mit dem Erwerb und der Sanierung der Synagoge sichern wir einen wertvollen und von den Nazis zerstörten Teil der burgenländischen Identität und setzen ein sichtbares Zeichen der Wiedergutmachung und einer verantwortungsbewussten Erinnerungskultur“, betonte Landeshauptmann Doskozil. Für einen Präsidenten einer jüdischen Gemeinde gäbe es nichts Schöneres, als eine Synagoge zu eröffnen, sagte IKG-Präsident Deutsch: „Mein besonderer Dank gilt Landeshauptmann Doskozil, der die Wichtigkeit, die Synagoge Kobersdorf zu retten, erkannt hat, und sie nun – da nur sehr wenige Jüdinnen und Juden im Burgenland leben – als Veranstaltungsstätte mit jüdischen Inhalten zum besseren Verständnis des Judentums und im Kampf gegen Antisemitismus beiträgt.“ Musikalisch begleitet wird die feierliche Eröffnung von Studierenden des Joseph Haydn Konservatoriums, von Oberkantor Shmuel Barzilai und von Menahem Breuer, einem Holocaust-Überlebenden.
Das Haus soll als Kultur-, Wissenschafts- und Bildungszentrum mit einem Schwerpunkt auf jüdischer Kultur und Geschichte dienen und künftig Raum für Vorträge, Konzerte und Symposien bieten. Mit der Sanierung der Synagoge Kobersdorf – wie auch der Synagoge in Stadtschlaining, die als Museum im März eröffnet wurde – gebe des Land Burgenland ein „umfassendes Bekenntnis zu seinem jüdischen Erbe“ ab, so der Landeshauptmann.
Die Nutzung dieses symbolträchtigen Gebäudes soll zu dieser Kultur der Erinnerung beitragen, das Haus wird daher künftig allen Jüdinnen und Juden aus Österreich, in besonderer Form auch den Überlebenden und den Nachfahren der Shoah, jederzeit offenstehen. Doskozil: „Diese Öffnung ist neben der baulichen Instandsetzung sehr wichtig. Die Synagoge von Kobersdorf ist ein sichtbares Zeichen dafür, dass wir uns unserer jüdischen Wurzeln, der jüdischen Tradition und unserer Verantwortung für die Opfer aus der NS-Zeit bewusst sind.“
Mahnmal oder lebendiges Kultur- und Bildungszentrum?
Beim Kauf der Synagoge durch das Land Burgenland im Jahr 2019 war das Gebäude trotz etlicher Investitionen in desolatem Zustand, zunächst war der Umgang damit ungeklärt. Schließlich fiel die Entscheidung, das symbolträchtige Haus nicht nur als Mahnmal zu belassen, sondern es auszubauen. Beschlossen wurde eine umfassende Sanierung, die alle Erfordernisse einer modernen Veranstaltungsstätte erfüllt, die sich aber gleichzeitig möglichst am Original von 1860 orientiert. Die Synagoge kann nun sehr ursprünglich erhalten bleiben, indem ein neu errichtetes Gebäude, durch das die Synagoge auch betreten wird, die nötige Infrastruktur wie Garderobe, barrierefreie WC-Anlagen, Lüftungs- und Heizungsanlage, Elektroanlage oder auch Sessellager beherbergt.
„Burgenländisches“ Projekt, Gebäudekomplex unter Ensembleschutz gestellt
Bei der Sanierung wurde großer Wert auf die Einbindung burgenländischer Unternehmen gelegt: Die Machbarkeitsstudie wurde von DI Harald Mayer aus Hornstein erstellt, planender Architekt war Anton Mayerhofer aus Neckenmarkt, Baustellenkoordination und Statik lagen bei Woschitz Engineering. Bis auf drei Firmen, für deren Leistungen es keine regionalen Anbieter gab, waren bei den Bauarbeiten ausschließlich heimische Betriebe tätig. Das barrierefrei gestaltete Objekt fügt sich harmonisch ins Ortsbild ein, für die Besucher der Synagoge, der Schlossspiele und des Sportplatzes wurden neue Parkplätze geschaffen.
Seit kurzem hat das Bundesdenkmalamt den gesamten ehemaligen jüdischen Gebäudekomplex – bestehend aus der Synagoge, der benachbarten ehemaligen Gemischtwarenhandlung sowie dem dazugehörigen Wirtschaftsgebäude – unter Ensembleschutz gestellt.
Wechselvolle Geschichte
Nach dem Brand der alten Synagoge wurde 1860 die neue Synagoge von Kobersdorf errichtet. Mit rund 600 Juden verzeichnete die Gemeinde in dieser Zeit den Höhepunkt der jüdischen Bevölkerung. Ein schlimmes Hochwasser verursachte 1895 bleibende Schäden am Gebäude. Die Synagoge stand damals 1,5 m unter Wasser und wurde in der Folge nur notdürftig saniert. Im März 1938 kam es zur Schändung durch die Nazis und gleichsam zur Übernahme in den Besitz der Ortsgruppenleitung, die es in ein SA-Heim für die umliegenden Gemeinden umfunktionierte. Pläne zur Umgestaltung in eine Busgarage und zum Verkauf an die Wiener Neustädter Stadtwerke und an Mercedes Benz kamen zum Glück nicht zur Umsetzung.
Die Tragödie des Holocaust forderte von den rund 200 jüdischen Bewohnern ca. 160 Opfer. Nach dem Krieg kehrten nur drei Überlebende nach Kobersdorf zurück.
Nachdem die Synagoge 1948 an die IKG Wien restituiert worden war, erfolgte 1994 der Verkauf an den Verein zur Erhaltung und kulturellen Nutzung der Synagoge Kobersdorf. 2010 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt. 2019 kaufte schließlich das Land das Objekt.
Da die in Funktion befindliche Synagoge 1938 geschändet, innen zerstört und zweckentfremdet wurde, spricht man heute von einer „ehemaligen“ Synagoge bzw. von einem Synagogengebäude.
Betriebskonzept
Die Synagoge ist für höchstens 140 Personen behördlich genehmigt. Sie soll für Bildungs-, Kultur- und wissenschaftliche Projekte mit direktem Bezug zur jüdischen Kultur und Geschichte genutzt werden. Das Haus ist kein Kulturzentrum im herkömmlichen Sinn. Die Voraussetzung für jedes Veranstaltungsformat ist ein starker thematischer Bezug zur jüdischen Kultur und Geschichte.
Programmbeirat berät
Ein dazu eingerichteter Beirat berät das Land bei der Programmierung. Ihm gehören Vertreter von burgenländischen Gedenkinitiativen, Bildungs-, Forschungseinrichtungen, der IKG Wien und Vertreter der jüdischen Glaubensgruppe an. Vorsitzender ist der Direktor des Haydn-Konservatoriums Gerhard Krammer, Stellvertreterin ist IKG-Vizepräsidentin Claudia Prutscher. Das Jahresprogramm besteht aus Führungen für Schulen und für Erwachsene, aus wissenschaftlichen Vorträgen und Workshops, einem jährlichen internationalem Symposium, aus Lesungen und jüdischen Musikdarbietungen.
Breite Kooperation
Das Land Burgenland ist für die Organisation und Programmierung verantwortlich und kooperiert dazu mit der IKG Wien, dem Österreichischen Jüdischen Museum, den Burgenländischen Volkshochschulen, der Burgenländischen Forschungsgesellschaft, dem Joseph Haydn Konservatorium, dem Verein Refugius, dem Dokumentationszentrum des Österreichischen Widerstandes, dem Verein Misrachi Wien, der Bildungsdirektion Burgenland, den Kultur-Betrieben Burgenland, dem Verein Erinnern.at, der Pädagogischen Hochschule, dem Heimathaus Kobersdorf und der Gemeinde Kobersdorf.
Projektkosten
Mit rund 3,5 Mio. Euro Gesamtkosten konnte der ursprüngliche Kostenplan für die Generalsanierung und die Errichtung des Nebengebäudes als jüdisches Veranstaltungszentrum und der Außenanlagen um eine halbe Mio. Euro unterschritten werden. Für denkmalpflegerische und restauratorische Maßnahmen werden vom BDA voraussichtlich 250.000 Euro zur Verfügung gestellt.
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Bildtext Eröffnung ehemalige Synagoge Kobersdorf 1: Bei der feierlichen Eröffnung (v.l.): Mag. Klaus Hoffmann, MSc, Generalsekretär für kaufmännische Angelegenheiten IGK Wien, Jaron Engelmayer, Oberrabbiner IKG Wien, DDr.in Barbara Glück, Direktorin der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, Claudia Prutscher, Vizepräsidentin IKG Wien, Oberkantor Shmuel Barzilai, Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Mordechai Rodgold, Botschafter des Staates Israel in Österreich, Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und Landtagspräsidentin Verena Dunst
Bildtext Eröffnung ehemalige Synagoge Kobersdorf 2: Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und Claudia Prutscher, Vizepräsidentin IKG Wien mit Menahem Breuer, dessen Gattin Irina Breuer (3.v.r. oder l.) und Enkelin Daria Schitrit (r.)
Bildnachweis: LMS Burgenland
Stefan Wiesinger, Wolfgang Sziderics, 24. April 2022
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