Gewalt gegen Frauen nicht länger tabuisieren

Berichteten über die aktuelle Situation im Burgenland und Maßnahmen gegen Gewalt gegen Frauen. V.l.: Mag.a Karin Gölly, GFin des Gewaltschutzzentrums, LRin Verena Dunst, LPD Mag. Martin Huber ´
Berichteten über die aktuelle Situation im Burgenland und Maßnahmen gegen Gewalt gegen Frauen. V.l.: Mag.a Karin Gölly, GFin des Gewaltschutzzentrums, LRin Verena Dunst, LPD Mag. Martin Huber ´

Seit 1991 ruft die internationale Kampagne „16 Tage gegen Gewalt“ auf, Gewalt gegen Frauen entgegenzutreten; seit 1992 nimmt auch Österreich daran teil. Am Montag erfolgte der Auftakt im Burgenland mit dem Hissen der Fahne der Menschenrechtsorganisation „Terre des Femmes“ vor dem Landhaus in Eisenstadt und einem anschließenden Schweigemarsch.

Über die aktuelle Situation im Burgenland und Maßnahmen gegen Gewalt gegen Frauen berichteten Mag.a Karin Gölly, Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums, und Landespolizeidirektor Mag. Martin Huber heute, Freitag, bei einem Pressegespräch.

„Gewalt gegen Frauen ist allgegenwärtig, und sie passiert sehr oft in der eigenen Familie“, erklärte Dunst. „Auch sexuelle Belästigung gehört für viele Frauen leider zum Alltag, jede fünfte Frau wird Opfer von sexueller Gewalt. Gewaltausübung darf nicht tabuisiert werden. Mit der Kampagne  ‚16 Tage gegen Gewalt‘ möchten wir das Thema in den Fokus rücken“. Die Kampagne läuft bis zum Internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember.

Gewalt „hinter verschlossenen Türen“

Häusliche Gewalt, von der jede fünfte Frau betroffen ist, hat noch einen weiteren Aspekt: Sehr oft können sich Frauen aus ökonomischen Gründen nicht aus einer Gewaltbeziehung befreien. Neben körperlicher Gewalt ist in vielen Fällen auch psychische Gewalt im Spiel, die das Selbstwertgefühl der Betroffenen zerstört. „Es geht dabei immer um die Ausübung von Macht und Kontrolle über die Frau“, so die Frauenlandesrätin. Ob die Gewalt in den letzten Jahren zugenommen hat, ließe sich nicht sagen, aber: „Immer mehr Frauen outen sich oder nehmen Hilfe in Anspruch, nicht zuletzt auch wegen der öffentlichen Diskussion“. Allerdings passiere dies aufgrund der ländlichen Strukturen nur „sehr verzögert, man kennt sich ja im Dorf“.

Burgenland: dichtes Netzwerk an Gewaltschutzeinrichtungen

Im Burgenland können sich Betroffene an das Frauenhaus, das Gewaltschutzzentrum Burgenland, an eine der sieben Frauenberatungsstellen des Landes, die Polizei, die bundesweite 24-Stunden-Frauenhelpline 0800/222 555 oder die HelpFemApp des Frauenministeriums wenden. Für Männer stehen die Caritas Gewaltberatungsstellen in Eisenstadt, Oberpullendorf und Oberwart sowie die Caritas Männerberatung zur Verfügung.

„Fokus auf Beendigung von Gewalt, nicht der Beziehung“

Das Gewaltschutzzentrum ist eine gesetzlich anerkannte Opferschutzeinrichtung und hilft Opfern von familiärer Gewalt und Opfern von Stalking schnell, unbürokratisch, kostenlos und vertraulich. Das Zentrum wird sofort nach Verhängung eines Vertretungsverbotes durch die Polizei oder nach anderen Einsätzen bei familiärer Gewalt informiert. Die 5 Mitarbeiterinnen helfen durch rechtliche und psychosoziale Beratung, bei Gerichts- und Behördenterminen und der Planung weiterer Schritte. „Es geht in unserer Arbeit um die Beendigung von Gewalt, nicht um die Beendigung der Beziehung“, betont Gölly.

Betreuungszahlen und Vertretungsverbote stark steigend

570 Personen wurden bisher im Jahr 2017 im Gewaltschutzzentrum betreut, das sei zu diesem Zeitpunkt ein Höchststand; 2016 waren es insgesamt 603 Opfer. Steigend auch die Tendenz bei den Vertretungsverboten: Heuer wurden von der Polizei bis dato 201 Vertretungsverbote verhängt (2016: insgesamt 188, 2015: insgesamt 171), und 30 Stalkingfälle zur Anzeige gebracht, berichtet Huber.  Die stark steigenden Zahlen hätten auch mit der Enttabuisierung zu tun, weiß Gölly. Die Mehrzahl der Opfer ist weiblich, die Täter sind zu 93 % männlich. Rund ein Drittel der Opfer waren Ehefrauen oder Lebensgefährtinnen, in 10 % wurde der Ex-Partner gewalttätig.

Polizei als Unterstützer und Partner sehen

Als polizeiliche Maßnahmen kommen in Fällen von häuslicher Gewalt in der Regel Betretungsverbot (für 14 Tage) und Wegweisung, parallel dazu die Informierung des Gewaltschutzzentrums zur Anwendung. Das Betretungsverbot kann in bestimmten Fällen auch auf drei Monate ausgedehnt werden. Geregelt sind diese Maßnahmen im vor 20 Jahren in Kraft getretenen Gewaltschutzgesetz (Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie, konkret im Paragraph 38a des Sicherheitspolizeigesetzes) , das Huber als „großen Erfolg“ sieht.  Wichtig sei auch Präventionsarbeit durch die Polizei, die durch Vorträge, Kurse und Verhaltenstrainings für Frauen geleistet werde. Heuer seien bereits mehr als 2.000 Frauen geschult worden, seit dem Start dieser Trainings im Jahr 2000 bereits mehr als 16.000. Huber appelliert an die Frauen, „Mut zu haben und sich zu melden. Die Polizei ist Unterstützer und Partner. Für Gewalt gibt es gibt keine Rechtfertigung“.

Täterarbeit im Burgenland seit 1. Juli 2017

Seit 1. Juli 2017 bieten die Männerberatungseinrichtungen Wien (für das Nordburgenland) und Steiermark (für das Südburgenland) opferschutzorientierte Täterarbeit. Dabei wird nach mit Opferschutzeinrichtungen gemeinsam erarbeiteten Standards in Kooperation mit dem Gewaltschutzzentrum Burgenland gearbeitet. Die Täter nehmen an einem Antigewalttraining teil, müssen aber der Weitergabe der Informationen an die Opferschutzeinrichtung zustimmen. Die Opfer werden parallel dazu in der Opferschutzeinrichtung betreut. Der Täterarbeit komme sehr große Bedeutung zu, sagt Gölly, und es gebe dabei auch „gute Erfolge“. Allerdings werde sie nur in sehr geringem Ausmaß freiwillig oder auf gerichtliche Anordnung in Anspruch genommen. Dunst fordert deshalb eine gesetzliche Verankerung zur verpflichtenden Täterarbeit.

Pressefotos zum Download: 16 Tage gegen Gewalt_LPD Eisenstadt_1, 2

Bildtext 16 Tage gegen Gewalt 1, 2: Berichteten über die aktuelle Situation im Burgenland und Maßnahmen gegen Gewalt gegen Frauen. V.l.: Mag.a Karin Gölly, GFin des Gewaltschutzzentrums, LRin Verena Dunst, LPD Mag. Martin Huber ´

Bildquelle: Bgld. Landesmedienservice

Hans-Christian Siess, 1. Dezember 2017

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