30 Jahre Frauen- und Familienberatung „Der Lichtblick“
 

Frauen und Mädchen in schwierigen Lebenssituationen Hilfe anzubieten, sie zu beraten und zu betreuen – das hat sich der private Verein „Der Lichtblick“ auf die Fahnen geheftet. Nicht erst jetzt, sondern schon vor mittlerweile 30 Jahren. Die damalige Frauenministerin Johanna Dohnal eröffnete 1993 offiziell die Frauenberatungsstelle in Neusiedl am See – eine von sieben Frauenberatungsstellen im Burgenland - , die übrigens die einzige Beratungsstelle Burgenlands ist, die Anlaufstelle für Betroffene von sexueller Gewalt und sexueller Übergriffe ist. „Zum 30-jährigen Jubiläum möchte ich nicht nur herzlich gratulieren, sondern auch die beeindruckende Arbeit zum einzigartigen Projekt der Frauenberatungsstelle Neusiedl am See zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt würdigen. Seit fünf Jahren ist die Frauenberatungsstelle in Neusiedl am See auch die erste Anlaufstelle für Fachberatungen zu sexueller Gewalt gegen Frauen und Mädchen“, betont die für Frauenangelegenheiten zuständige Landeshauptmannstellvertreterin Astrid Eisenkopf. Mit diesem Projekt konnte erstmals ein sehr konkretes Beratungsangebot für Frauen und Mädchen geschaffen werden, die von sexueller Gewalt betroffen sind. „Die Hingabe, mit der das Team hilfesuchende Frauen betreut, zeigt, dass der Lichtblick nicht nur Unterstützung bietet, sondern auch aktiv gegen eine der drängendsten Herausforderungen unserer Gesellschaft, nämlich Gewalt in all ihren Formen vorgeht“, lobt Landeshauptmannstellvertreterin Astrid Eisenkopf den „Lichtblick“. Erst vor kurzem hat das Land Burgenland gemeinsam mit den Frauenberatungsstellen die Kampagne „Behalte die K.O.ntrolle“ gestartet und einen wichtigen Schritt für mehr Gewaltschutz im gesamten Burgenland gesetzt.

„Der Lichtblick“ 
Kostenlos, anonym und vertraulich sind die Beratungen und Betreuungen des privaten Vereins „Der Lichtblick“, der Anlaufstelle für Frauen, Mädchen, Familien, Kindern und Jugendlichen in schwierigen Lebenssituationen und beruflichen oder persönlichen Krisen ist. Die „Lichtblickerinnen“ sind Expertinnen mit unterschiedlichen Schwerpunkten: so gehören dem Team drei Sozialarbeiterin, zwei Klinische Psychologinnen und Gesundheitspsychologinnen sowie eine Juristin an. 

Die „Der Lichtblick“-Geschäftsführerin Karin Behringer Pfann skizziert im Gespräch die Arbeit der Frauen- und Familienberatungsstelle

Die Frauen- und Familienberatungsstelle „Der Lichtblick“ begeht ihr 30-jähriges Bestehen. Was waren die Hintergründe für die Gründung des „Der Lichtblick“? 
Karin Behringer-Pfann:Damals haben sich engagierte Frauen aus dem Bezirk zusammengefunden und haben die Chance ergriffen, eine Anlaufstelle für Frauen – für unterschiedlichste Anliegen – im Bezirk Neusiedl am See zu schaffen. Die damalige Frauenministerin Johanna Dohnal hat dann im November 1993 die Frauenberatungsstelle offiziell eröffnet. 1998 wurde das Angebot um eine Familienberatungsstelle erweitert, hier haben wir den Schwerpunkt auf Kinder und Jugendliche gesetzt und somit auch für diese Zielgruppe eine Anlaufstelle im Bezirk installiert.
Wie ist die Beratungsstelle angenommen worden, wie viele Beratungen bzw. Anfragen hat es in den 30 Jahren des Bestehens gegeben? 
Karin Behringer-Pfann:In den 30 Jahren wurden 56.997 Menschen beraten, betreut und begleitet, und es wurden 79.738 Beratungs- und Informationsgespräche geführt. 

Mit welchen Gesprächen ist frau vor 30 Jahren in die Beratungsstelle gekommen – und was sind die Fragen von heute? 
Karin Behringer-Pfann:Die Themen haben sich nicht wesentlich geändert, die Problemstellungen sind allerdings heute komplexer als damals. Themen sind Scheidung, Trennung, Gewalt gegen Frauen und Kinder, Kinder, Arbeitssuche, Arbeitslosigkeit, Erziehungsfragen, belastende Lebensumstände, existentielle und wirtschaftliche Probleme.

Wie und inwiefern hat sich die Situation der Frauen geändert – wenn überhaupt? Sind Frauen, Mädchen von heute selbstbewusster als noch vor 30 Jahren? 
Karin Behringer-Pfann:Wir leben immer noch in einem patriarchalen System, die Gleichberechtigung wurde immer noch nicht komplett umgesetzt, und viele Familien leben auch heute noch nach traditionellen Rollenbildern, was zu mental load bei (Anm.: mentale Belastung, die Last der ständigen unsichtbaren Planungs- und Koordinierungsaufgaben, die im Alltag anfallen und die damit verbundene Verantwortung) Frauen führen kann.
Frauen und Mädchen sind heute vielleicht besser informiert und wissen, dass es Anlaufstellen wie unsere gibt. Ich kann nicht verallgemeinern, dass Frauen und Mädchen von heute generell selbstbewusster sind, das trifft bestimmt auf viele zu, auf andere aber auch nicht.
Natürlich ist es heute einfacher für Frauen und Mädchen, z.B. eine gute Ausbildung zu absolvieren und so finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen wenngleich wir alle über die gläserne Decke Bescheid wissen, noch immer sind in Führungspositionen hauptsächlich Männer zu finden.
Immer noch sind viele Frauen Gewalt ausgesetzt. Österreich liegt im traurigen Spitzenfeld in Bezug auf Femizide, die strukturelle Gewalt gegen Frauen ist in einem hohen Ausmaß vorhanden – z.B. in Pflegschaftsverfahren oder Unterhaltsverfahren, aber auch in Strafverfahren, es gibt sehr viele Einstellungen gerade im Bereich der sexualisierten Gewalt.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft, für die nächsten 30 Jahre? 
Karin Behringer-Pfann:Ich wünsche mir für die Zukunft eine solide Basisfinanzierung für die Frauenberatungsstellen, ein Ende des Patriarchats, eine tatsächliche Gleichberechtigung, feministische Frauenpolitik, ein gewaltfreies Leben für Frauen und Kinder.