"Fundgrube Mattersburg": Neue Erkenntnisse zur Geschichte der Bezirkshauptstadt
Wer von Mattersburg kommend in Richtung Wiesen unterwegs ist, dem stechen sicherlich die riesigen Erdhügel neben der Fußballakademie Burgenland ins Auge. Auf einer rund sechs Hektar großen Fläche wird seit vergangenem Herbst gegraben – nicht von Baumaschinen, sondern von einem Archäologen-Team.
Durch den geplanten Ausbau der Fußballakademie wurde das Bundesdenkmalamt auf das Areal aufmerksam. Einträge in der Fundstellendatenbank ließen auf die Existenz einer archäologischen Verdachtsfläche schließen das weitere Baugeschehen sollte unbedingt von professioneller wissenschaftlicher Seite begleitet werden.
Schließlich ergriff die Stadtgemeinde Mattersburg die Initiative und entschloss sich, archäologische Untersuchungen vornehmen zu lassen sowie die Finanzierung dafür zu übernehmen. „Uns liegt viel an der Erforschung der Geschichte von Mattersburg“, betont Mattersburgs Bürgermeisterin Claudia Schlager.
Mittelalterliche Siedlungsreste
Die im Bezirk Mattersburg für ihre Grabungen und Funde aus der Awarenzeit bekannte und von der Gemeinde beauftragte Archäologin Dorothea Talaa bewies den richtigen „Riecher“. Nachdem das maschinelle Abtragen der Humusschicht anfangs kaum Ergebnisse zeigte, erwies sich die Geduld Talaas wieder einmal als wichtigste wissenschaftliche Tugend und die Grabungen neben der Fußballakademie wurden doch noch ein voller Erfolg. „Wir haben unerwartet viel gefunden“, erzählt die Archäologin euphorisch.
Als die historisch jungen Funde wurden mittelalterliche Siedlungsreste sowie zwei Körpergräber entdeckt. Mehrere Gruben konnten dokumentiert werden, die zum Zweck der Entnahme von Lehm angelegt wurden – etwa für den Hausbau oder zur Herstellung von Keramikgefäßen.
Einwanderung der Awaren
Im Zuge archäologischer Ausgrabungen entdeckte Gräber oder Siedlungsspuren werden zumeist über die darin enthaltenen Fundgegenstände chronologisch eingeordnet. Talaa zeigt sich erfreut darüber, dass die Einwanderung der Awaren in das Gebiet des heutigen Mattersburg im Frühmittelalter auf diese Weise zeitlich genau eingegrenzt werden konnte.
Einige archäologische Bodenbefunde stammen aus wesentlich älteren Zeiten. Neben Lehmentnahmegruben finden sich speichergruben aus dem zweiten Jahrtausend vor Christus, die in der Frühbronzezeit für die Lagerung von Getreide und auch Wein genutzt wurden.
Der interessanteste Fund ist und bleibt, wohlgemerkt nach heutigem Grabungsstand, ein imposanter Graben aus der Frühbronzezeit. Jedoch datieren Keramikscherben und andere Gebrauchsgegenstände bis in das fünfte Jahrtausend vor Christus zurück. Sogar eine neolithische Brandbestattung konnte frei gelegt werden.
Hallstattzeitliche Urnengräber aus dem neunen oder achten Jahrhundert vor Chr. belegen die Funktion des Areals als Friedhof in der Frühen Eisenzeit. Unter der bereits bestehenden Anlage der Fußballakademie, die in unmittelbarer Nachbarschaft zu der aktuellen Ausgrabung liegt, befand sich laut Archäologin Talaa möglicherweise die dazugehörige Siedlung der Frühen Eisenzeit.
Im Fall der awarischen Besiedlung – sie hatte an der Schwelle von der Völkerwanderungszeit zum Frühmittelalter die germanische Siedlungstätigkeit abgelöst – verhält es sich umgekehrt. „Bei der heutigen S31 lag das awarische Gräberfeld und hier, in einiger Entfernung, der Siedlungsplatz“, zeigt sich Talaa überzeugt.
Und was für das Burgenland besonders interessant ist: es gibt Hinweise, dass am Ortsrand von Mattersburg schon in prähistorischer Zeit Weinbau betrieben wurde. „Mein Team und ich gehen davon aus, dass die ortsansässigen Menschen den burgenländischen Wein schon im fünften Jahrtausend vor Christus genossen haben“, merkt Talaa an, die sich neben ihrer regen Ausgrabungstätigkeit besonders dem Phänomen menschlicher Migration und dem damit verbundenen Transfer von Kulturtechniken in urgeschichtlichen Epochen widmet.
Anhand der Funde lassen sich nicht nur Hinweise auf soziale und ökonomische Auswirkungen von Migration ablesen. Bestimmte Keramikgefäße, deren Machart und materielle Beschaffenheit lassen Rückschlüsse auf die Ausbreitung der Technik des Weinkelterns vom Schwarzmeerraum über den Balkan bis in hiesige Gegenden zu – und dies lange Zeit vor Eingliederung des Gebets des heutigen Burgenlands in das Römische Weltreich.