Die Angst vor dem Nachzipf

Die Wiederholungsprüfung im Herbst – ein Albtraum für jede Schülerin und jeden Schüler. Neben den verpatzten Sommerferien, die man nicht genießen kann, schwingen auch noch Versagensängste, Selbstzweifel und zusätzlicher Stress mit den Eltern mit. Gegen Ferienende liegen dann die Nerven blank, manche Schülerin bzw. Schüler hat vielleicht sogar schon aufgegeben. In diesem Fall heißt es für die Betroffenen und deren Eltern Ruhe zu bewahren. Klein und Groß müssen zwischen der Rolle als Schüler und der Rolle als Mensch unterscheiden. Eine schlechte Schulnote macht keinen schlechten Menschen. 

Ein „Fleck“ ist nicht immer aussagekräftig

Ein „Fleck“ im Zeugnis kann viele Gründe haben. „Grundsätzlich muss man vorausschicken, dass das System der Wiederholungsprüfungen und das Wiederholen ganzer Klassen generell zu hinterfragen ist. Was bringt es einer Schülerin oder einem Schüler, der vielleicht nur in Mathematik einen Aufholbedarf hat, in allen anderen Fächern aber eine gute Schülerin oder ein guter Schüler ist, wenn er ein ganzes Schuljahr wiederholt? Die grundsätzliche Ausrichtung des österreichischen Schulsystems ist nicht kindzentriert. Die Kinder werden viel zu wenig individuell gefördert, stattdessen wird bereits in der Volksschule eine Konkurrenzsituation geschaffen. Einerseits mit dem Notensystem und andererseits mit der Trennung in Gymnasiumschüler und Mittelschulschüler. Ein ,Fleck‘ im Zeugnis sagt oft nichts über den tatsächlichen Wissensstand des Kindes aus,“ plädiert Kinder- und Jugendanwalt Christian Reumann. 

Kinder entwickeln sich unterschiedlich 

Die Angst eine Klasse wiederholen zu müssen ist groß. Aus den Erfahrungen und Gesprächen in der Kinder- und Jugendanwaltschaft weiß man, dass das „Sitzenbleiben“ meist einer Stigmatisierung gleichkommt. Aber: Gleiches Alter der Kinder heißt nicht gleiche Entwicklung und gleiche Interessen. „Selbst wenn die Wiederholungsprüfung nicht geschafft wird, ist es wichtig als Elternteil, die Wiederholung der Klasse als Zeit der Nachreifung zu sehen. Beim Studium frägt niemand mehr, wie viele Semester man gebraucht hat. Auch bei einem Jobwechsel oder einer beruflichen Neuorientierung fragt dann keiner mehr, warum das so lange gedauert hat. Das macht man nur bei den Kindern. Doch Kinder, die wiederholen sind keine schlechteren. Oft befinden sich Kinder in einer ganz schwierigen Situation und haben deshalb Schulprobleme. Leistung und Benotung ist nicht das Gleiche, das wird oft vergessen,“ gibt Christian Reumann zu bedenken. 

Nicht alles ist „Nicht Genügend“

Auch wenn es unmöglich ist, den Inhalt eines Schuljahres in den Ferienwochen aufzuholen, nicht alles war bei einem „Nicht Genügend“ negativ. Das sollten sich sowohl die Schülerinnen und Schüler als auch die Eltern bewusst machen. Entscheidend sollte aber in jedem Fall sein: Eltern müssen die Sache gemeinsam mit dem Kind durchziehen. Die Schule ist nicht das Leben, nicht die Welt. Es muss nicht immer ein Nachteil sein, ein Jahr zu wiederholen. 

Kontakt zur KIJA: 
Telefon: 057-600/2808
E-Mail: post.jugendanwalt(at)bgld.gv.at