Die Gräberfelder und der Siedlungsplatz der römischen Kaiserzeit
In der Umgebung von Halbturn sind mehrere römerzeitliche Fundstellen bekannt, am besten erforscht ist eine 20 Hektar große Fläche in der Flur Wittmannshof. Hier konnte ein kaiserzeitlicher Siedlungsplatz mittels Luftbildarchäologie und geophysikalischer Prospektion nachgewiesen werden, der von zwei Gräberfeldern flankiert wird. Die östliche Nekropole wurde 1961 beim Schotterabbau entdeckt. Es konnte lediglich eine Brandbestattung mit sehr reichen Grabbeigaben, unter anderem 7 Bronzegefäßen, geborgen werden.
Der westliche Bestattungsplatz liegt ca. 230 m von dem Siedlungsplatz entfernt und wurde in mehreren Grabungskampagnen des Institutes für Ur- und Frühgeschichte vollständig untersucht.
Er orientiert sich an den Flurgräben, die zum Teil auch den nördlichen Siedlungsbereich umschließen. Das Gräberfeld umfasst ca. 150 Brandbestattungen, die zwischen der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts und der Mitte des 4. Jahrhunderts angelegt wurden. Die ältesten Brandbestattungen waren von viereckigen Grabgärtchen umfasst, die sich zum Teil auch zu größeren Gruppen formierten.
Die Anlage von Grabgärtchen wurde jedoch bereits aufgegeben bevor sich die Sitte der Körperbestattung um die Mitte des 4. Jahrhunderts durchzusetzen begann. Die ungefähr 150 spätrömischen und völkerwanderungszeitlichen Körperbestattungen respektieren die Brandgräber. Die Grabformen sind recht unterschiedlich: So kommen Spoliengräber, Sarkophaggräber, Gräber mit partieller Steinsetzung, Ziegelkistengräber, Gräber mit Holzeinbauten oder Holzsärgen sowie einfache Erdgräber vor. Eine Gruppe von vier Gräbern ganz im Osten des Gräberfeldes zeichnet sich durch Holzsärge aus, darin dürften - wie die Ausstattung zeigt - Angehörige der Oberschicht zur letzten Ruhe gebettet worden sein. Das berühmteste Artefakt dieser Fundstelle ist ein kleines Goldblechstück mit griechischen Buchstaben beschriftet, das die bekannte jüdische Gebetsformel „Höre, Israel: Jahwe ist unser Gott, und es ist ein Jahwe“, wiedergibt und aus Grab 147 stammt.
Für die Erforschung der Villa rustica von Halbturn kamen unterschiedliche nicht-invasive Prospektionsmethoden zur Anwendung. Im nördlichen Siedlungsbereich konnten auf diese Weise fünf bis sechs Steingebäude nachgewiesen werden, wobei eines davon als Wohnhauptgebäude interpretiert werden kann und entsprechende Innenräume und Möglichkeiten zum Beheizen aufweist. Für ein zweites Gebäude kommt eine sakrale Verwendung in Frage, die Funktion der übrigen Gebäude bleibt bislang unbekannt. Der südliche Siedlungsbereich ist von einer Umfassungsmauer umgeben und zeigt ein Hauptgebäude mit einem Korridor an der Südwestseite und drei weitere Steingebäude. Die wissenschaftliche Interpretation geht von zwei unterschiedlichen landwirtschaftlichen Betrieben aus, die entweder gleichzeitig oder in chronologischer Abfolge den Platz bewirtschaftet haben. Jedoch dürften an römischen Siedlungsplätzen über die Zeit Umstrukturierungen stattgefunden haben, deren Abfolge nur stratigraphisch durch archäologische Ausgrabungen eindeutig geklärt werden können.