2.600 illustrierte Postkarten mit topographischen Motiven aus dem deutschwestungarisch-burgenländischen Raum von 1897 bis 1921, die im Burgenländischen Landesarchiv aufbewahrt werden, haben es Evelyn Fertl „angetan“. Immerhin beherbergt das Burgenländische Landesarchiv eine der größten Foto- und Ansichtskartensammlungen Österreichs. „Die Forschung beschäftigte sich bisher fast ausschließlich mit den Bildmotiven dieser Ansichtskarten, die Texte wurden bisher noch nicht umfassend analysiert“, betont die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Landesarchiv, unter anderem zuständig für die Foto- und Ansichtskartensammlung, und Buchherausgeberin Evelyn Fertl – ein Ansporn für ihre umfassenden Forschungen.
Die Publikation von Evelyn Fertl „Herzliche Grüße, Küsse und Handküsse … Die illustrierte Postkarte im deutschwestungarisch-burgenländischen Raum“ gibt erstmals einen Einblick in die Mitteilungen der Kartenschreiber*innen und analysiert die gesellschaftlichen Funktionen früher Ansichtskarten im Gebiet des heutigen Burgenlandes. Ein umfangreicher Bildteil und die Transkriptionen ausgewählter Texte illustrieren die Bedeutung der Postkarte als erstes globales Massenkommunikationsmedium.
Wie alles begann
Mit dem 46. Internationalen Kulturhistorischen Symposion Mogersdorf 2017 im slowenischen Lendava, das im Zeichen der „Medien- und Kommunikationskultur im langen 19. Jahrhundert“ stand, hat die Beschäftigung mit Ansichtskarten begonnen. „Da ich Referentin der Foto- und Ansichtskartensammlung im Landesarchiv bin, hat der damalige Hauptreferatsleiter des Landesarchivs und der Landesbibliothek, Roland Widder, vorgeschlagen, dass ich dort einen Vortrag halte. Ich habe dann begonnen, mich mit Ansichtskartentexten zu beschäftigen und sehr schnell gemerkt, dass es dazu noch fast überhaupt keine Forschung gab. Das war damals Neuland!“, erzählt die Buchautorin Evelyn Fertl von den Anfängen ihrer Forschung, die sie nun in einem Buch veröffentlichte.
Für den Mogersdorfer-Vortrag standen rund 1.700 Karten zur Verfügung, die zwischen 1897 und 1918 im Gebiet des heutigen Burgenlandes hergestellt, gesammelt und verschickt wurden. Das Landesarchiv hat in den letzten Jahren noch zusätzliche 900 Karten angekauft bzw. aus Nachlässen übernommen – daher konnte Evelyn Fertl auf ein Datenmaterial von rund 2.600 Ansichtskarten zurückgreifen. Da war es für sie naheliegend, das Thema des Vortrages zu erweitern – auch zeitlich bis 1921 -, noch mehr ins Detail zu gehen und eine Publikation dazu herauszugeben.
So forscht Evelyn Fertl
Für die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Landesarchiv war interessant, worum es in den Mitteilungen ging, in welcher Sprache die Texte verfasst sind, in welcher Sprache die aufgedruckten Beschriftungen sind, wer die Produzent*innen, also Fotograf*innen, Verleger*innen, etc., waren, waren es Ortsansässige oder in welchem Druckformat die Ansichtskarten hergestellt wurden. „Bei der Analyse der Texte war aber für mich besonders interessant, welche Funktionen diese frühen Ansichtskarten hatten, warum Ansichtskarten hergestellt, verschickt und gesammelt wurden“, berichtet Evelyn Fertl und ergänzt: „Im Fokus meines Buches stehen eben diese verschiedenen gesellschaftlichen Funktionen – z.B. die Ansichtskarte als Sammelobjekt, Dokumentationsmedium der eigenen Lebenswelt, Vermittlungsmedium von visuellen Eindrücken, Medium touristischer Kommunikation, Dokumentationsmedium von Religionstourismus, Mittel der Selbstdarstellung, Dokumentationsmedium von tagesaktuellen Ereignissen, Medium zum Kontakthalten, Medium allgemeiner Kommunikation und der Alltagskommunikation, Reklamepostkarte und Propagandapostkarte.“
Zusammenfassend kann gesagt werden: Die Texte und Mitteilungen werfen ein Licht auf die kleinen und großen Sorgen und Freuden der Menschen, die im heutigen Gebiet des Burgenlandes lebten, dort Urlaub machten oder arbeiteten oder auf Durchreise waren. Nicht nur Adel und das Bürgertum nutzten das neue Medium – auch die klein- und unterbürgerliche Schicht nutzte die Ansichtskarte, um schnell und unkompliziert mit anderen zu kommunizieren.
Buchpräsentation
Am 4. Februar wurde das Buch im Rahmen des „Landeskundlichen Diskussionsnachmittags“ im Kulturzentrum Mattersburg präsentiert. Der Landeskundliche Diskussionsnachmittag wird von Landesarchiv und Landesbibliothek veranstaltet und findet acht Mal im Jahr statt, üblicherweise am ersten Dienstag des Monats. Er bietet Forscher*innen und Wissenschafter*innen die Möglichkeit, zu landeskundlichen Themen aus den verschiedensten Wissenschaftsbereichen zu referieren.
Bestellt werden kann das Buch unter: post.a7-landesarchiv(at)bgld.gv.at und natürlich auch im Buchhandel zum Preis von 29 Euro