Ein deutsches Leben, Theatermonolog nach Christopher Hampton

Am 2. April 2023 kam in der Synagoge Kobersdorf der Theatermonolog „Ein deutsches Leben“ zur Aufführung. Darin erzählt die einstige Sekretärin von Joseph Göbbels ihre beklemmende, authentische Lebensgeschichte.  Als Brunhilde Pomsel brilliert zum bereits dritten Mal – nach der österreichischen „Uraufführung“ in Eberau und einer Vorstellung in der Burgenländischen Landesgalerie - die Wiener Schauspielerin Johanna Tomek. Die Regie führte der südburgenländische Regisseur und Theaterwissenschaftler Michael Muhr. Die Veranstaltung war eine Kooperation des Landes Burgenland mit dem Kulturforum Südburgenland, das bereits mit der Dramatisierung des Lebens von Sophie Scholl (2021) für österreichweite Aufmerksamkeit gesorgt hat.

Brunhilde Pomsel kam 1911 im Berlin Kaiser Wilhelms zur Welt und durchlebte eine für die damaligen Verhältnisse „normale“ Kindheit im krisengeschüttelten Vorkriegsdeutschland.  Sie erlernte den Beruf der Sekretärin und kam - teils durch Zufall, teils durch persönliche Kontakte - in die Abteilung Zeitfunk der Reichs-Rundfunkgesellschaft. Ab 1942 arbeitete sie als Sekretärin im Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda – dem Ministerium Joseph Göbbels. Nach Kriegsende wurde sie von den Sowjets inhaftiert und verbrachte die Jahre bis 1950 in russischen Lagern. Nach der Haft arbeitete sie abermals als Sekretärin beim Südwestfunk und bei der ARD. Brunhilde Pomsel starb am 27. Jänner 2017 im Alter von 106 Jahren.

Zeitzeugin Brunhilde Pomsel erzählt in dem Stück ihre Sichtweise, beginnend mit ihrer Kindheit bis zum „Untergang“ des Dritten Reiches. Sie versucht sich darin als unpolitische Mitläuferin zu inszenieren. Sie erzählt über ihre jüdische Freundin Eva Löwenthal, die sie so lange unterstützt hat, bis es politisch nicht mehr opportun war, sie erzählt wie sie zur Mitarbeiterin von Joseph Göbbels wurde und schildert ihre Eindrücke über die Zeit, als der Krieg auch nach Deutschland getragen wurde. Begeistert von der Aufbruchstimmung der 1930er ist sie Zeitzeugin der Olympischen Spiele und später von Göbbels berühmter Sportpalast-Rede, in der er die Bevölkerung auf den „totalen Krieg“ eingeschworen hat. Für den Holocaust findet sie kein Wort des Bedauerns. Ihre Beteuerungen, „nichts“ gewusst zu haben sind halbherzig und unglaubwürdig.

Zwangsläufig tauchen die Fragen auf, ob es für den „normalen“ Menschen in der NS-Zeit überhaupt möglich gewesen ist, „nichts“ zu wissen und wie wir mit diesem Wissen umgegangen wären. Brunhilde Pomsel, die sich am Rande der Machtzirkel bewegt hat, stellt sich die Schuldfrage nicht.  Verantwortung, Mitwissertum und aktives Tätertum sind Themen, mit denen sich das Land Burgenland in der Synagoge Kobersdorf intensiv auseinandersetzt. Die 100 BesucherInnen des Theaterabends in der Synagoge waren 90 Minuten lang von der Intensität des Stückes gefesselt.

Zum Stück

Eine Gruppe um den österreichischen Filmemacher Christian Krönes stieß im Zuge von Recherchearbeiten zu einem Film über Göbbels eher zufällig auf die damals 101-jährige Brunhilde Pomsel. Aus den Interviews entstand der Dokumentarfilm „Ein deutsches Leben“.  Basierend auf den originalen Interviews hat der britische Regisseur Christopher Hampton einen eindrucksvollen Theatermonolog montiert.

Vorschau

Der nächste Theaterabend in der Synagoge findet am 8. Oktober 2023 statt. Im Stück „Löcher stopfen – eine Spurensuche“ begibt sich der Deutschkreutzer Schauspieler Reini Moritz auf die Suche nach den blinden Flecken im kollektiven Erinnern.