Symposium: "Dunkle Zeiten. Personen und ihre Handlungsspielräume während der NS-Zeit"

„Zum Täter wurde man, zum Opfer wurde man gemacht“ (Prof. Frank Bajohr)

Bereits zum dritten Mal fand am 26. und am 27. Juni 2024 in der restaurierten Kobersdorfer Synagoge das wissenschaftliche Symposium, eine Kooperationsveranstaltung zwischen der Burgenländischen Forschungsgesellschaft, dem Verein Misrachi Wien und dem Land Burgenland statt.

Das diesjährige Symposium knüpfte an die Sonderausstellung auf Burg Schlaining mit dem Titel „Dunkle Zeiten. Von Tätern und Gerechten“. Als Vorprogramm zum Symposium in Kobersdorf fand am Vorabend (25. Juni) eine Kuratorenführung durch die Sonderausstellung in Schlaining statt.

An den beiden darauffolgenden Tagen setzten sich 15 Expert:innen mit unterschiedlichen Formen des Widerstandes und der Täterschaft in der Zeit des NS-Terrors auseinander und beleuchteten, welche Handlungsspielräume für die jeweiligen Akteur:innen bestanden haben. Zu Wort kamen renommierte Wissenschaftler:innen aus dem In- und Ausland.

Den Auftakt bildete Prof. Dr. Frank Bajohr vom Zentrum für Holocaust-Studien am Institut für Zeitgeschichte in München mit seiner Keynote „Täter, Widerständler, Gerechte, stille Helfer: Vom Nutzen und Nachteil von Kategorisierungen“. Prof. Bajohr hinterfragte den Nutzen von Kategorisierungen von Begriffen wie „Täter“ und „Widerständler“ und kam zum Ergebnis, dass diese statische Trennung oftmals nicht eindeutig, ja vielmehr flexibel war. Handlungsspielräume von diversen Akteur:innen in der Zeit des Nationalsozialismus waren demnach manchmal nicht nachvollziehbar und konnten sich vor allem auch im Laufe der Zeit ändern. Die Schlussbetrachtung ergab, dass „Täter“ und „Helfer“ oft nicht eindeutig voneinander abgegrenzt werden können, Kategorisierungen allerdings dabei helfen können, Verhaltensformen zu erklären und einzuschätzen.

Nach den einführenden Worten des Keynote-Speakers standen am ersten Tagdes Symposiums Biographien von NS-Tätern, die NS-Endphaseverbrechen sowie das Schlepper- und Schmuggelwesen im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Betrachtungen. Beiträge kamen von: Dr. Kurt Bauer (Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung), Assoz. Prof.in Priv.-Doz.in Mag.a Dr.in Ursula Mindler-Steiner (Institut für Geschichte der Universität Graz), Alfred Lang (Burgenländische Forschungsgesellschaft), PD Dr.in Eleonore Lappin-Eppel (Österr. Akademie der Wissenschaften), Mag. Michael Achenbach (Dokumentationsarchiv des österr. Widerstandes), Mag. Dr. Michael Hess (Amt der burgenländischen Landesregierung, Landesbibliothek), Dr.in Barbara Häne (Jüdisches Museum Basel), Michael Schreiber (Burgenländische Forschungsgesellschaft) und Mag. Roman Kriszt (Regionalhistoriker).

Der zweite Tag des Symposiums widmete sich den Widerstandsformen im NS-Regime sowie den sogenannten „stillen Helfern“. Diskutiert wurden Lebensgeschichten von Menschen, die in der Zeit des NS-Terrors Menschen gerettet oder politischen Widerstand geleistet haben und durch ihr Verhalten in Konflikt mit dem Regime gekommen waren. Zu Wort kamen: Mag. Dr. Gerhard Baumgartner (Historiker), Dr. Anton Fennes (Historiker), Mag. Marco Laubner (Historiker), a. Univ. Prof. Dr. Michael John (Historiker), Dr.in Brigitte Ungar-Klein (Historikerin).

Zum Abschluss des Symposiums fand ein Gedenken an die ehemaligen jüdischen Gemeinden des Burgenlandes statt. Oberrabiner Jaron Engelmayer sprach über die Blütezeit der jüdischen Gemeinden sowie über einflussreiche Persönlichkeiten und gedachte der Shoa-Opfer. Oberkantor Shmuel Barzilai sorgte mit einem eigens für das Burgenland interpretierte Lied für einen beeindruckenden Abschluss der Veranstaltung.

Die ehemalige Synagoge ist einer der letzten erhalten gebliebenen Denkmäler der vertriebenen jüdischen Gemeinden im Burgenland. Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Burgenland-Juden ist <s>einer der</s> Schwerpunkte bei der Gestaltung des Veranstaltungsprogrammes. Im Rahmen einer Kooperation mit der Berufsschule Eisenstadt wird überdies das Ziel verfolgt, auch den Nachwuchs für die Wissenschaft zu begeistern. So waren in diesem Jahr 23 Schüler:innen beim Symposium dabei.

Insgesamt haben knapp 160 Interessierte an den drei Veranstaltungstagen teilgenommen. Das wissenschaftliche Symposium kann als voller Erfolg bezeichnet werden, nicht zuletzt dank der Beiträge zahlreicher namhafter Wissenschaftler:innen, die mit ihren wissenschaftlichen Erkenntnissen zu einer anspruchsvollen Diskussion auf höchstem Niveau beitrugen.

Das jährlich stattfindende wissenschaftliche Symposium in Kobersdorf richtet sich sowohl an Expert:innen als auch an interessierte Laien, die mehr über die jüdische Geschichte des Landes erfahren wollen. Der Eintritt zum Symposium ist frei. Das Symposium 2025 ist wiederum für die letzte Juniwoche anberaumt.