Katrin Bernhardt
Katrin Bernhardt wurde 1982 in Oberpullendorf geboren und wuchs in Forchtenstein auf. Sie studierte Klassische Archäologie und Philosophie und erhielt ein Dissertationsstipendium an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Sie veröffentlichte diverse wissenschaftliche Publikationen und nahm an Grabungen in Österreich, Italien, Griechenland und in der Türkei teil. Katrin Bernhardt beschäftigt sich mit Performances und Installationen zu den Themenfeldern Ritual in Gender, zudem malt sie in Misch- und Acryltechnik auf Leinwand und Papier.
Colours of Women
Mischtechnik (Menstruationsblut, Lippenstift) auf Leinwand
75 x 115 cm
2022
Der eingereichte Akt stammt aus dem Zyklus „Colours of Women“, wobei der Titel auf die in diesem Zyklus verwendeten Malmaterialien, Menstruationsblut, Lippenstift, Rouge, Eyeliner und Lidschatten anspielt, die traditionellerweise mit dem Frausein assoziiert werden. Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Auseinandersetzung mit Weiblichkeit, Körperlichkeit, Menstruation und damit einhergehende Tabus. Seit Jahrtausenden werden in verschiedenen Kulturen menstruierende Frauen als unrein betrachtet. Aus diesem Grund werden sie während ihrer Periode von der Gesellschaft abgesondert, dürfen nicht berührt werden, gewisse Nahrungsmittel nicht zu sich nehmen und verschiedene profane und sakrale Tätigkeiten nicht ausüben. So sterben in abgelegenen Regionen der Welt nach wir vor Frauen, die während ihrer Periode in rudimentären Menstruationshütten, oft ohne Fenster, Türen und Heizung, diversen Gefahren durch Wildtiere, Witterung, aber auch Vergewaltigungen, ausgesetzt sind. In der westlichen Welt ist der Aberglaube, in die Zubereitung von Lebensmittel eingebundene menstruierende Frauen würden diese verderben lassen, inzwischen verschwunden. Dennoch ist auch in unserer Gesellschaft nach wie vor dieser natürliche Vorgang bei vielen Personen mit Scham und/oder Ekel besetzt. Nicht wenigen jungen Männern graut es vor Menstruationsblut, Mädchen schleichen mit ihren Tampons in der Faust auf die Toilette, Frauen verbergen ihre Hygieneartikel vor Kollegen und Kolleginnen in den Tiefen ihren Handtaschen und bekommen allein schon beim Gedanken an versagenden Hygieneartikeln während sozialer Zusammenkünfte Schweißausbrüche. Auch wenn Frauen in unserem Kulturkreis längst nicht mehr während der Periode als unrein gelten, so wird gilt doch weiterhin: Menstruiert wird am besten heimlich!
Das eingereichte Bild bringt diesen im Verborgenen stattfindenden Akt des Blutens wortwörtlich aufs Tableau. Das Blut soll gesehen, betrachtet, bestaunt werden. Allein schon aufgrund der mengenmäßigen Begrenztheit dieses Malmaterials wird etwas, das normalerweise weggeworfen, weggespült wird, zu etwas Besonderem, etwas Begehrenswertem. Das Blut wird zur Farbe, nicht zu Abfall. Im Bild wird es wieder zum Teil der Frau, wird Teil ihrer Silhouette, umhüllt diese, strahlt über den Körper hinaus. Die weiblichen Rundungen des Akts sind jedoch nicht ausschließlich mit Blut, sondern auch mit Lippenstift ausgeführt, einem artifiziellen Kulturprodukt, das im Gegensatz zur Natürlichkeit des Blutes steht. Dies zwei Materialien symbolisieren die beiden Sphären Natur und Kultur, die unentwegt auf Frauen einwirken. Wir sollen „schön“ sein, gerne auch mit Hilfe von Make-up, aber dabei möglichst „natürlich“ wirken.
Was aber bedeutet „natürlich“? Was an uns ist natürlich, und was kulturell erworben? Ist das biologische Geschlecht (sex) etwas Natürliches oder ebenso kulturell Geschaffenes? Inwieweit ist die anthropologische Zuordnung zu Mann und Frau immer auch kulturell verhandelt? Dies sind Fragen, welche die Genderforschung ebenso wie den öffentlichen Diskurs seit Jahrzehnten prägen.
Die Verwendung von Make-up-Produkten in den Bildern des Zyklus thematisiert also auch diese Erwartungshaltungen, die hinsichtlich Schönheit und Körperlichkeit an Frauen herangetragen werden. Erwartungshaltungen, die sich im Zuge der omnipräsenten Selbstoptimierung und des Einflusses von Social Media in den letzten Jahrzehnten noch deutlich verschärft haben. Nicht umsonst boomen Make-up-Tutorials auf Videoplattformen und das makellose, weil oft am Computer nachbearbeitete, Aussehen von Influencerinnen wird zum nacheiferungswürdigen Idealbild für junge Mädchen und Frauen.
Der Zyklus-Titel „Colours of Women“ kann aber auch im übertragenen Sinne verstanden werden: Als ein Hinweis auf die hohe und wünschenswerte Diversität innerhalb der Gruppe „Frau“, denn die Frau existiert nicht.