Christina Lag-Schröckenstein
Geboren 1975 in Wien, lebt und arbeitet in Winden am See, 1993–1994 Studium der Rockgitarre, Klasse von Milan Polak, 1994–1995 Studie zur Fusion Guitar von Wayne Brasel, American Institute of Music, Wien, 1995–1998 Studium der Jazzgitarre, Prayner Conservatory, Wien, 1997–2003 Studium der Klassischen Gitarre, Konservatorium Wien, 2000–2005 Studium der Jazzgitarre, Konservatorium Wien, 2009–2010 Studienreise nach New York City, 2014–2015 Zertifizierung im Kulturmanagement, Institut für Kultur Concepts, Wien, 2015–2016 Ausbildung und Diplom in Fotografie, Lightbox Academy, Wien, 2017 Gewinnerin des Fotowettbewerbs der MUVS, Wien, 2019 Förderpreis für Bildende Kunst des Landes Burgenland, 2019–2020 Bildungsprogramme an der Werkstätte für Kunst und Kultur, Wien.
Werktitel: „Denk.mal“
In den letzten Jahren scheinen wir unsere Weltsichten und Wahrnehmungen des Zeitgeschehens – und damit auch die Tragweite und Wirkmacht unserer Bürger- und Freiheitsrechte – immer mehr durch limitiertes, engmaschiges und von Kontrasten geprägtes Denken einzuschränken. Und das nicht nur gezwungenermaßen, sei es durch wachsende Radikalismen innerhalb unserer Gesellschaft oder durch den angstbesetzten kollektiven Stress einer pandemischen Krise, sondern gleichzeitig und Hand in Hand auch aufgrund unreflektierter Freiwilligkeit. Denn die medialen Strukturen und Mechanismen, innerhalb derer wir uns heute bewegen, garantieren uns lediglich den Frieden unserer Blase, unserer Box, und gaukeln uns virtuelle Freiheiten vor, die in Wahrheit nur der Nährboden für reale innergemeinschaftliche Spaltungstendenzen sind.
Je kleiner der Bewegungsradius unserer Zeitgenossenschaft, je höher der Tellerrand unserer Vereinzelung, je fixierter der Tunnelblick unserer Meinungen, desto einfacher wird es, unsere Freiheits- und Friedenssehnsucht als etwas zu begreifen, das gegen andere durchgesetzt werden muss. Desto leichter fällt es, Freiheiten und Rechte als Verlangen zu empfinden, anstatt sie als Pflichten anzuerkennen. Desto eher vergessen wir dabei auf die schwerwiegendste Pflicht zur Freiheit: uns über die grausamen Ereignisse des Krieges und der Menschenvernichtung bewusst zu sein, aus deren schändlicher Asche sie vor 75 Jahren entstand.
Dies bedeutet jedoch nicht nur, sich dieses Ursprungs gewahr zu sein oder seiner Opfer zu gedenken, sondern auch stets zu bedenken, dass unsere Erinnerungs-, Gedenk- und Mahnkultur seit jeher selbst fragmentiert und auf einzelne Blickwinkel beschränkt ist. Unterschiedlichste Mahnmale in unserer Republik gedenken der Opfer des Nationalsozialismus – oft genug auf umstrittene Weise. Mal erinnern sie an gefallene Soldaten, aber nicht an jene, die Widerstand gegen das Regime leisteten oder der Shoah zum Opfer fielen. Mal gemahnen sie nicht bloß an die Schrecken des Krieges, sondern manifestieren auch den Verantwortung verdrängenden Opfermythos des postnazistischen Österreich. Und mal stehen übrig gebliebene Machtrelikte des Nationalsozialismus jahrzehntelang wie gespenstische Heimsuchungen in der Landschaft, ehe ihnen in mühsamer, schmerzhafter und langwieriger Arbeit eine Zukunft als Mahnmal abgerungen wird. Wie wir uns der Vergangenheit unserer Heimat erinnern, beeinflusst auch die Vision, die wir von ihrer Zukunft haben. Wie sehr wir uns des Ursprungs der Freiheit, mit der wir in ihr leben, bewusst sind, prägt auch unser Verständnis, unsere Wahrnehmung und unsere Gestaltung dieser Freiheit. Die Pflicht zur Freiheit, so sie kein Opfer der Vereinzelung, des Gegeneinanders werden soll, bedeutet, unsere Engstirnigkeiten und Fragmentierungen zu überwinden, aus unseren Blasen und Boxen zu treten. Diese Pflicht, sie ist vor allem der Akt einer nachhaltigen Selbstreflexion, einer tiefgreifenden Selbstkritik und einer konstruktiven Skepsis eigenen Standpunkten gegenüber.